Kaninchensyphilis (Spirochätose)
Die Kaninchensyphilis ist eine bakterielle Infektion bedingt durch Treponema cuniculi. Treponemen sind spiralförmige Stäbchenbakterien oder Spirochäten, die zwar grundsätzlich in verschiedenen Gattungen auch bei Menschen vorkommen können, nicht jedoch die Gattung Treponema cuniculi. Bei Menschen wird Syphilis durch die Gattung Treponema pallidum verursacht. Aufgrund einer Reihe klinischer und epidemiologischer Ähnlichkeiten wird die Bezeichnung Kaninchensyphilis verwendet.
Treponemen sind hochkontagiös, d.h. sie verbreiten sich sehr schnell von Tier zu Tier und werden in erster Linie durch den Deckakt (Genitalinfektion, „Deckseuche“) übertragen, in geringem Ausmaß auch durch Bissverletzungen oder Belecken. So ist auch das häufige Auftreten der Kaninchensyphilis bei Jungtieren zu erklären. Durch das Belecken des erkrankten oder sogar nur latent infizierten Muttertieres wird der Erreger schon in den ersten Lebenstagen oder -wochen auf die Jungtiere übertragen.
Die Inkubationszeit beträgt Wochen bis Monate, so dass Kaninchen aller Alterstufen erkranken können. Erste deutliche klinische Anzeichen sind entzündlich bedingte Rötungen und Schwellungen der Vulva (der Scham) bzw. des Präputiums (der Vorhaut) sowie der Penisschleimhaut. Die befallene Haut sondert in der Folge schleimig-wässrige bis schleimig-eitrige Sekrete ab. Im weiteren Krankheitsverlauf bilden sich an den befallenen Hautpartien tiefer in die Haut eindringende, hirse- bis reiskornähnliche Knötchen, die geschwürartig aufplatzen und im Reparationsversuch der Haut immer wieder krustig verschorfen, dabei jedoch wieder erneut aufbrechen. Durch Belecken dieser stark juckenden und gereizten Anogenitalregion infiziert sich das Kaninchen besonders die Hautpartie der Raphe (Hasenscharte), die Lippen, die Augenlider, das Gesäuge sowie auch andere Körperpartien (Schmierinfektion). Durch Staphylokokken und Nekrobazillen kommt es in der Folge zu bakteriellen Superinfektionen mit weiter aufsteigenden Entzündungen sowie Septikämie (Blutvergiftung) mit Todesfolge.
Das typische klinische Bild der Hautveränderungen und die Verteilung der Entzündungsherde an den entsprechenden Körperstellen führen leicht zu der Diagnose Kaninchensyphilis. Ein Erregernachweis ist in der Dunkelfeldmikroskopie möglich, spielt jedoch in der Praxis keine Rolle.
Für die Therapie der Kaninchensyphilis/Spirochätose gilt die parenterale Applikation von Penicillin als das erste Mittel der Wahl und stellt somit eine der wenigen Indikationen für den Einsatz von Penicillin-Präparaten bei Kaninchen dar, die eine gleichzeitige Verabreichung eines Probiotukums zum Schutz der Darmflora erfordert.
In der Literatur werden empfohlen:
Ampicillin 10 mg/kg KGW 1 x tägl. s.c. über 5 – 6 Tage oder
Amoxicillin 15 mg/kg KGW 1 x tägl. s.c. über 5 – 6 Tage (EWRINGMANN: Leitsymptome beim Kaninchen, Enke Verlag).
Nach eigener Erfahrung kann auch ein Depot-Penicillin-Streptomycin (Veracin-comp., Fa. Albrecht) verwendet werden in einer Dosierung von 16.000 I.E. Penicillin und 24.000 I.E. Streptomycin pro kg KGW alle 3 Tage s.c., wobei je nach Schwere und Ausbreitung der Erkrankung 2 bis 3 Behandlungen nötig sind. Die gleichzeitige Gabe des Probiotikums noch bis 5 Tage über die Behandlung hinaus sorgt in der Regel für eine unbeeinträchtigte Verdauung. Eine orale Penicillin-Gabe ist bei Kaninchen grundsätzlich zu vermeiden, da durch diese Antibiotika die gram-positive Darmflora abgetötet wird, wodurch sich lebensbedrohliche Durchfälle ergeben können.
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