Atemwegserkrankungen der Kaninchen
Die Atemwege des Kaninchens bestehen aus den oberen Atemwegen, nämlich der Nasenhöhle mit jeweils nur einer rudimentären Nasennebenhöhle und dem Atmungsrachen, und den unteren Atemwegen, nämlich dem Kehlkopf, der Luftröhre, den Bronchien und der Lunge. Die Atmung erfolgt beim gesunden Tier über die schlitzförmigen Nasenöffnungen mit einer Atemfrequenz von 50 bis 150 pro Minute in Ruhe. In der Regel kann das Kaninchen nur durch die Nase atmen und nicht durch den Mund, so dass das Luft ziehen durch den Mund als solches pathologisch ist und bereits auf ein großes Problem im Bereich der Atemwege hin-weist.
Die Funktion der Atmungsorgane besteht erstens in der äußeren Atmung, d.h. dem Sauerstoff-Kohlendioxid-Gasaustausch, wobei sauerstoffreiche Luft eingeatmet und kohlen-dioxidreiche Luft ausgeatmet wird, und zweitens in der Thermoregulation. Bei höheren Umgebungstemperaturen über 25 °C, kann die normale Körperinnentemperatur des Kaninchens, nämlich zwischen 38,5 und 40,0 °C, nur stabil gehalten werden, indem zum einen Wärme über die Ausatmungsluft abgegeben wird, zum anderen zusätzlich via Blutbahnen (Arterien) der langen Ohren ebenfalls Wärme über das Blut aus dem Körperinneren in die Peripherie transportiert wird. Das leicht abgekühlte Blut kehrt über die Venen ins Körperinnere zurück und mischt sich mit wärmerem Blut aus zentralen Organen.
Zu den Erkrankungen der oberen Atemwege gehört an erster Stelle der weit verbreitete Kaninchenschnupfen, der bakteriell bedingt ist und durch Kurzköpfigkeit bestimmter Rassen, schlechte Immunabwehr des einzelnen Tieres sowie ungünstige Haltungsbedingungen wie zu trockene Atemluft durch Heizungswärme im Winter, Zugluft sowie schlechte Stall-hygiene und dadurch zu hohem Ammoniakgehalt in der Atemluft begünstigt wird. Kaninchen-schnupfen wird am häufigsten durch Pasteurellen, außerdem auch durch Bordetellen, Staphylokokken und Streptokokken verursacht. Die Infektion erfolgt direkt von Tier zu Tier und über Aerosole in der Luft. Kaninchen in Freilandhaltung erkranken weniger häufig als solche, die in beheizten Räumen gehalten werden, wohl wegen der zu trockenen und die Nasenschleimhäute reizenden Luft. Der Kaninchenschnupfen beginnt mit Niesen von wässrigem bis hin zu eitrigem Sekret, allmählich kann der Atemweg innerhalb der Nasenhöhle durch Schnupfensekret und geschwollene Nasenschleimhaut so eingeengt werden, dass die Tiere mit stoßweiser Flankenatmung oder schlimmstenfalls unter Atemnot durch den Mund Luft ziehen, was einem präfinalen Stadium entspricht. In komplizierten Fällen können auch die unteren Atemwege bis hin in die Lunge betroffen sein und es kommt zu Abszessen in der Lunge oder sogar zur bakteriellen Ausbreitung in die Bauchorgane mit dortiger Abszessbildung.
In erster Linie können Antibiotika und Inhalationsmittel eingesetzt werden, in zweiter Linie müssen immer die Umgebungsverhältnisse optimiert werden, um den Kaninchen-schnupfen zu behandeln. Zur Prophylaxe gibt es auch Impfstoffe, die vor allem in großen Kaninchenbeständen Anwendung finden und alle 6 Monate verabreicht werden müssen.
In selteneren Fällen bewirken Antibiotika keinerlei Verbesserung, so dass die Diagnose überprüft werden muss. Ganz gelegentlich kann nämlich auch ein heftiges Niesen Ausdruck einer allergischen Reaktion der Atemwege sein, also ein allergischer Schnupfen. Hier wie auch beim klassischen Kaninchenschnupfen sollten Stäube jeder Art unbedingt vermieden werden. Gerade bei der Unterbringung im Haus ist testweise eine Haltung auf Handtüchern zu versuchen, und staubige Einstreu sollte vermieden werden. Am häufigsten reagieren Kaninchen auf Einstreumaterial allergisch mit Erkrankungen der oberen Atemwege, weniger hingegen mit Erkrankungen des Magen-Darmtraktes.
Tritt das Schnupfensekret nur einseitig aus der Nase und bleibt der andere Nasengang immer trocken und ohne Krankheitszeichen, dann handelt es sich um einen einseitigen Prozess der betroffenen Gesichtsseite. Ursache hierfür ist meist die Wurzelentzündung eines Ober-kieferbackenzahnes mit Zahnfistel bis in die Nasenhöhle (oronasale Fistel), die Entzündung des Tränennasenganges der betroffenen Seite und/oder eine Entzündung des äußeren Auges mit Sekretabfluss über den Tränennasengang.
Vor allem junge Kaninchen können durch die Schnupfenbakterien und ihr noch nicht so abwehrstarkes Immunsystem durch die Erreger des Kaninchenschnupfens leicht auch im Bereich der unteren Luftwege infiziert werden, so dass sich eine Bronchitis entwickelt. Die Atmung wirkt stoßweise, angestrengt und ist mühsam für das Tier, worauf mit vermindertem Appetit oder sogar mit Inappetenz reagiert wird. Bei weiterer Ausbreitung kann es auch zu einer Lungenentzündung kommen, die immer als eine lebensbedrohliche Situation für das Tier zu werten ist.
Besonders weibliche Kaninchen, die an chronisch-entzündlichen Veränderungen des Gesäuges oder der Gebärmutter leiden, die sich auch zu Gebärmuttertumoren entwickeln und auf dem Blutweg Tumorzellverbände in das Blutgefäßsystem und via Blutweg Metastasen in die Lunge einschleppen können, führen zu Lungentumore(n). Diese können schon große Areale der Lunge überwuchert haben, ehe das Kaninchen Krankheitszeichen erkennen lässt.
In Gegenden mit Wildkaninchen können auch die Hauskaninchen über Stechinsekten oder verseuchtes Grünfutter an Myxomatose erkranken. Das auslösende Virus verursacht Ödembildungen unter anderem auch im Kopfbereich und dort bevorzugt im Kehlgang, so dass die Atemwege eingeengt werden können. Ursache ist hier die Schwellung und Wasser-einlagerung (Ödematisierung) der Rachenschleimhaut. Andere Ursachen für Ödeme im gesamten unteren Atemtrakt kann eine primäre Herzschwäche sein, die dazu führt, dass zunächst Wasser in den Lungenbläschen austritt - Lungenödem - und so allmählich immer mehr Husten und Rasselgeräusche beim Atmen auftreten. Nur eine Röntgenuntersuchung lässt hier klar zwischen Lungen- und Herzkrankheit abgrenzen und die richtige Therapie ansetzen.
Wie schon eingangs erläutert, ist der untere Atmungstrakt wesentlich an der Regulation der Körperinnentemperatur beteiligt. Eine starke äußere Hitze ist deshalb für Kaninchen schwer zu verkraften, weil sie über keine effektive Wärmeableitung verfügen. Der Hitzschlag kann bei Kaninchen ab einer Lufttemperatur von 25 °C entstehen, was im Sommer schnell erreicht und in Dachgeschosswohnungen sehr schnell überschritten werden kann. Das ansonsten herz- und kreislaufgesunde Kaninchen gerät bereits bei Temperaturen von über 25 °C in einen Hitzestress mit erhöhter Atemfrequenz und angestrengter Atmung, Lungenödem, Herzrasen, Krämpfen, Schock und sogar Todesfolge.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass jedes Krankheitszeichen, das den Atmungstrakt betrifft, als ernst zu nehmendes Symptom zu bewerten ist, weil Kaninchen im allgemeinen Krankheitszeichen so lange wie möglich verbergen, um nicht aus der Gemeinschaft ausgestoßen zu werden. Daher können auch zunächst harmlos erscheinende äußere Krankheitszeichen wie Niesen, Röcheln oder Husten erste Anzeichen für ein größeres und tiefer liegendes Problem der Lunge oder sogar des Herzens darstellen.
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